"Dein Antlitz, o Herr, suche ich." (Ps 27,8)

Papst Benedikt XVI. als Pilger in Manoppello
1. September 2006

"Dein Antlitz, o Herr, suche ich.
Das Antlitz des Herrn zu suchen,
muss das Begehren unser aller sein."

Kurz nachdem der Papst das berühmte Buch von Paul Badde "Das göttliche Gesicht" gelesen hatte, entschloss er sich zu einer Pilgerreise nach Manoppello. Am 1. September 2006 war Benedikt XVI. der erste Papst, der nach über vierhundert Jahren wieder im im Gebet vor dem Antlitz Jesu verharrte. TV-Stationen katapultierten das Bild, das so lange als kostbarster Schatz der Christenheit gegolten hat, in alle Winkel der Erde. Es war ein "point of no return"! Christi Gesicht sei der "Polarstern" der Christenheit, rief Erzbischof Bruno Forte zur Begrüßung des Nachfolger Petris.



Nur drei Wochen nach seinem Besuch hat Papst Benedikt XVI. das 400 Jahre alte Heiligtum von Manoppello in einem offiziellen Dekret zur Basilika erhoben.

Bei seiner Ankunft im Hubschrauber wurde das Kirchenoberhaupt von der Diözesanleitung und politischen Vertretern der Region willkommen geheißen. Danach begab er sich in die Wallfahrtskirche der Kapuziner. Einige Minuten lang verweilte der Papst in stillem Gebet vor dem Hochaltar, wo das "Volto Santo" aufbewahrt wird. Anschließend betrachtete er das in einem gläsernen Schrein ausgestellte Tuch eingehend aus der Nähe.

In seiner Ansprache rief Benedikt XVI. zur persönlichen Begegnung mit Christus auf: "Das Antlitz Jesu zu suchen, muss das Streben von uns Christen sein". Die Heiligen, die das Angesicht Gottes besonders in den Armen und Notleidenden erkannt und verehrt hätten, seinen dafür unsere Vorbilder.

Um das wahre Antlitz Jesu und damit Gott sehen zu können, „muss man Christus kennen und sich von seinem Geist, der die Gläubigen zur ganzen Wahrheit führt, formen lassen. Wer Jesus begegnet, wer sich von ihm anziehen lässt und bereit ist, ihm bis zum Opfer des Lebens zu folgen, erfährt persönlich – wie Jesus am Kreuz –, dass nur das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, reiche Frucht bringt."

So wollte Benedikt XVI. in seiner Predigt an die Priester, Ordensleute und Theologie-studenten die Suche nach dem Antlitz Gottes verstanden wissen: "Dies ist ein Ort, an dem wir über das Geheimnis der göttlichen Liebe meditieren können, während wir die Ikone des göttlichen Antlitzes Christi betrachten. (...)  Sucht das Antlitz Christi und lernt es kennen”, sagt er dann zum Abschied vor der Kirche den zehntausend Pilger, die den Tag in Manoppello verbrachten.

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Gebet des Papstes Benedikt XVI.
zum Heiligen Antlitz:

Herr Jesus,
die ersten Apostel erkannten Dich als Sohn Gottes,
den erwarteten und verheißenen Messias zur Erlösung der Welt
als Du sie fragtest: „Wen sucht ihr?“
und sie danach Deine Einladung annahmen: „Kommt und seht!“ –
So wollen auch wir, Deine Jünger in dieser schwierigen Zeit,
Dir folgen und Dir Freunde sein – Angezogen vom Glanz Deines ersehnten
                                                                 und verborgenen Angesichts.
Zeige uns, so bitten wir Dich, Dein immer neues Gesicht,
geheimnisvoller Spiegel der unendlichen Barmherzigkeit Gottes.
Lass uns mit den Augen des Geistes und Herzens darin vertiefen:
im Antlitz des Sohnes, Abglanz der Herrlichkeit des Vaters,
                                                                 und Abbild Seines Wesens (vgl. Hebr. 1,3),
das menschliche Gesicht Gottes, der in die Geschichte eingetreten ist
im Aufleuchten der Horizonte des Ewigen.
Schweigendes Gesicht des leidenden und auferstandenen Jesus!
Geliebt und angenommen verändert es das Herz und Leben.
„Dein Gesicht, Herr, suche ich.
Verbirg nicht Dein Gesicht vor mir“ (Psalm 27,8s).
Wie oft ist dieses verzehrende Flehen des Psalmisten
im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende von Gläubigen zu Dir gedrungen!
Herr, auch wir wiederholen voll Vertrauen diesen Ruf:
„Mann der Schmerzen, vor dem man sein Gesicht verhüllt“ (Jes 53,3),
Verbirg vor uns nicht Dein Angesicht!
Deine Augen ruhen auf uns mit Zartheit und Erbarmen.
Lass uns aus ihnen die Kraft der Liebe und des Friedens schöpfen,
die uns den Weg des Lebens weist und jenen Mut,
Dir ohne Furcht und kompromisslos zu folgen,
um Zeugen Deines Evangeliums zu werden
mit tätigen Zeichen der Hingabe, der Liebe und der Vergebung.
Heiliges Antlitz Christi,
Licht, das die Schatten der Zweifel und Trauer erleuchtet,
Leben, das die Macht des Bösen und des Todes für immer gebrochen hat,
geheimnisvoller Blick,
der nicht aufhört, sich auf die Menschen und Völker zu senken,
verborgenes Gesicht in den Eucharistischen Zeichen
und in den Blicken unserer Nächsten,
mach uns zu Pilgern Gottes in dieser Welt,
dürstend nach dem Unendlichen und bereit für die Begegnung am Jüngsten Tag,
wenn wir Dich, Herr, von „Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12) sehen
und in Ewigkeit in der Herrlichkeit des Himmels schauen dürfen.
Maria, Mutter des Heiligen Angesichts,
hilf uns, „unschuldige Hände und ein reines Herz“ zu erlangen:
Hände, verklärt durch die Wahrheit der Liebe
Herzen, hingerissen von Gottes Schönheit,
damit wir uns – verwandelt durch die Begegnung mit Christus –
ohne Vorbehalt den Brüdern schenken,
besonders den Armen und Leidenden,
in deren Gesichtern das Geheimnis der verborgenen Gegenwart
Deines Sohnes Jesus widerscheint,
Der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

     Benedikt XVI., 1. September 2007, Jugendtreffen in Loreto